Nachruf auf Jörg

01. Juni 2004 - Die Meldung traf uns über Pfingsten aus heiterem Himmel: Jörg ist in der Nacht vom 28. auf den 29. Mai gemeinsam mit seinem Bekannten Jens verstorben. Sein überraschender Tod hinterläßt uns sprachlos. Wir trauern um einen guten Freund und Gastspieler der Schatten-Symphonie.

Eigentlich war Jörg in der LARP-Szene bekannt wie ein bunter Hund - wohl vor allem wegen seiner manchmal rechthaberischen, manchmal extremen, fast immer polarisierenden Schreiben in den verschiedenen LARP-Foren. Aus seiner Meinung hat er nie einen Hehl gemacht, auch wenn er damit aneckte. Das hat ihn nie geschreckt.

Obwohl wir uns schon ein paar mal auf verschiedenen LARPs begegnet sind (einmal war er sogar als NSC bei einem Abend der Schatten-Symphonie mit von der Partie) habe ich Jörg erst so richtig am 2. Januar 2002 kennengelernt. Da bin ich zum ersten mal so richtig mit einer seiner polarisierenden Statements im LARP-Info-Forum zusammengerasselt. Es ging (wie könnte es anders sein) um Vampire-Live - und Jörg nahm kein Blatt vor den Mund. Was folgte, war eine der üblichen Internet-Diskussionen. Am Ende der Woche trafen ich ihn dann im Cafe Glück, wo zu der allsonntägliche Pulverturm-Stammtisch stattfand.

In diesem Gespräch habe ich eine der ganz großen Stärken von Jörg kennengelernt: er ließ sich überzeugen - und war sich dann nicht zu Schade, ein Fehlurteil zu korrigieren. Und so stand am nächsten Tag eine Berichtigung im Forum. Eine Sache, die mir an Jörg mächtig imponiert hat.

In der folgenden Zeit sind wir uns immer häufiger begegnet - ob außerhalb des LARPs zum Beispiel bei einer gemeinsamen Fahrt zur Rockfabrik nach Augsburg an einem Mittwoch, aber natürlich öfter im Zusammenhang mit Live-Rollenspielen.

Dann kam mein Umzug Ende 2002 von München nach Moosburg. Die Auflagen meines Vermieters in München waren extrem: Schönheitsreperaturen wuchsen sich so langsam in eine handfeste Renovierung der alten Wohnung aus. Und da lernte ich eine weitere ganz große Stärke von Jörg kennen: er war da, wenn man ihn brauchte.

Ich weiß nicht, wie viele Stunden wir gepinselt, gespachtelt und auf meinen Vermieter geflucht haben - aber es waren viele. Auch unter der Woche. Auch vormittags. Jörg war einfach da, ohne daß er eine Gegenleistung erwartet hätte. Und ich konnte immer wieder nur sein handwerkliches Geschick bewundern.

Eigentlich wollte Jörg nie auf ein "Slaves to Darkness"-Con. Aber nachdem Christine, Roman, Frank und ich ihn immer wieder bearbeitet hatten, war er dann im Januar 2004 doch mit von der Partie. Und obwohl er im Vorfeld wirklich große Bedenken hatte, war Slaves 6 eines der wenigen LARPs, die ihn restlos begeisterten. Und ich war völlig von den Socken: Ausgerechnet Jörg, der lieber eigenbrödlerische Figuren gespielt hatte und Anführer-Rollen eigentlich so gar nichts abgewinnen konnte, spielte hier eine Figur, die nicht nur andere Spieler mit in´s Geschehen integrierte, sondern auch noch durch viel Verhandlungsgeschick für seine Gruppe einen beträchtlichen Gewinn herausschlug.

Hin- und Rückfahrt zu dem LARP in Magdeburg, bei denen ich zum letzten mal lange und ausführlich mit Jörg reden konnte, sind jetzt kostbare Erinnerungen.

Mein Pfingstwochenende hatte ich mir anders vorgestellt: Am Samstag abend hatte ich die Hochzeit von Freunden in Berlin früh um 22Uhr verlassen und war um Mitternacht gerade im Begriff, bei anderen Freunden mein Nachtlager aufzuschlagen, als Christines Anruf kam. Jörg war in der Nacht zuvor mit einem Freund in einem Campingbus erstickt. Ein Unfall - banal, schlicht. So wie man ihn immer mal wieder in der Zeitung liest und sich denkt, sowas passiert nur anderen.

Natürlich bin ich direkt nach Leipzig gefahren, habe mit denen gesprochen, die Jörg und Jens gefunden haben, habe mit all den anderen Leipzig-Fahrern die Nacht über bedrückt zusammengesessen. So richtig begriffen habe ich es nicht. Warum Jörg? Warum gerade auf diese Weise?

Dabei hatten wir doch noch so viel vor. Nach Pfingsten wollte Jörg mit mir zu einem Lederhändler in der Nähe von Salzburg fahren - ein Geheimtipp, den mal wieder nur er kannte. Ich wollte ihn um Rat für eine Rüstung bitten. Und vor allem hatte ich ihn endlich belatschern können, doch mal wieder eine Runde des ihm verhaßten Vampire Lives zu spielen. Und nachdem er so großartig auf dem Slaves den Anführer und Strippenzieher gespielt hatte, hatten wir vereinbart, daß er hier in den Isar-Auen den Primogen der Tremere geben sollte - ganz selten, natürlich - und nur solange es ihm Spaß macht.

Die vergangenen drei Tage waren nicht leicht. Nach und nach haben Christine und ich die Leute aus unserem Freundeskreis informiert, von denen wir wußte, daß sie Jörg nahestanden. Die größte Überwindung hat der Anruf bei Jörgs Eltern gekostet - aber die waren sehr froh, daß sich endlich jemand aus Jörgs Freundeskreis bei ihnen meldete.

Ich lese, was ich bisher geschrieben habe, und mir wird klar, daß ich Jörg nicht gerecht werde. Er war so viel mehr, als die paar Streiflichter, von denen ich hier erzähle. Seine Kunstfertigkeit als Rüstungs- und Waffenbauer, seine Geschäftspläne, seine Zeichnungen, seine manchmal wunderbar alberne Art.

Ich bin froh um die Zeit, die ich Dich kennen durfte.
Ich bin traurig, weil sie nur so kurz war.

In Gedenken an Jörg,
*26.5.1972
+29.5.2004

 

 

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